felix dobbert
TEXT GuteAussichten
STILL UNDER CONSTRUCTION
"Ohne die Erfahrung oder das Experiment", so schrieb Leonardo da Vinci (1452 – 1519) in seinem berühmten Trattato della Pittura (Das Buch von der Malerei) "gebe sich kein Ding mit Sicherheit zu erkennen". Im Sinne dieses Erkennens als unmittelbare Folge von Wahrnehmung durch Experiment widmet sich Felix Dobberts fotografisches Interesse der intensiven Beobachtung von Objekten unter besonderen räumlichen Bedingungen. Dem Festhalten im Bilde geht hierbei das planmäßige und präzise ausgeführte Errichten bzw. ’ins Auge fassen' einer Bildarchitektur voraus, womit eine zur tatsächlichen Welt hinzu geschaffene Wirklichkeit entsteht. In seinen Aufnahmen arrangiert Dobbert lapidare Gegenstände wie Plastikbecher mit Apfel und Birne, auf den Kopf gestellte Kunststoffflaschen, mit der Schneide nach oben in einen Styroporblock gestellte Messer oder kubistisch anmutende Behältnisse über deren Herkunft – gebaute Modelle oder am Computer generierte Formen in einer künstlichen Räumlichkeit – der Betrachter im Ungewissen bleibt. Entgegen der Vorbilder klassischer Stillebenmalerei, in denen die abgebildeten Objekte, Speisen, Tafelgeschirre, Blüten und Früchte etc. Rückschlüsse auf den sozialen Status, die gesellschaftlichen Gepflogenheiten und auch religiöse Vorschriften erlaubten, erscheinen die Gegenstände bei Dobbert einzig als Mittel zum Zweck. Im Brennpunkt des künstlerischen Interesses steht die Frage nach der Beziehung von Objekt und Raum, die mit mathematisch anmutenden Kompositionen ausgelotet wird. Das Verhältnis der Gegenstände untereinander ist dabei ebenso bedeutsam wie die Beziehung des Ensembles zum Raum. Die strukturellen und perspektivischen Hierarchien der einzelnen Bildebenen werden durch Schattenspiel und Reflexion, durch Überlagerung und spezifische Aufnahmewinkel oder schlicht durch die kaum wahrnehmbare Differenz zwischen Katzen- und Schaffell vom Raum wieder in die Fläche überführt. Jedes Arrangement ist eine optische Versuchsanordnung, die mit der Sinneswahrnehmung und der Wahrnehmungserwartung des Betrachters spielt. Die kleinste Verschiebung eines einzigen Elements verändert dabei nachhaltig das gesamte Gefüge. Unzählige ’Skizzen' sind vermutlich den eigentlichen Aufnahmen vorausgegangen ebenso wie während des Aufbaus der Ausstellung in Wiesbaden (und an vermutlich jedem anderen Ausstellungsort) Platzhalter in Originalgröße einen halben Abend auf der Wand umhergewandert sind, bevor die Werke ihren endgültigen Standort gefunden hatten. Das hintersinnige Anliegen von Felix Dobbert, unser an klar strukturierten Kompositionsgrundlagen geschultes Auge hinters Licht zu führen, ist ein äußerst gelungenes Experiment, durch das sich Dinge zu erkennen geben – jedoch bisweilen anders als gewohnt.
Josefine Raab, Kunsthistorikerin und Initiatorin von „gute aussichten“
Erschienen im Katalog GUTE AUSSICHTEN 2004/2005
STILL UNDER CONSTRUCTION
According to Leonardo da Vinci (1452 – 1519) in his famous Trattato della Pittura (book of painting): “Without experience or experiment, no object is really recognizable.” Acknowledging this sense of this recognition as an immediate result of perception through experimentation, it becomes clear that Felix Dobbert´s photographic interest is dedicated to an intense observation of objects under specific spatial conditions. The capturing of an image is preceded by a systematically and precisely planned creation of a picturesque architecture, thus creating an additional reality to the actual world. Felix Dobbert arranges simple items like a Styrofoam cup with an apple and a pear, plastic bottles placed upside down, knives stuck into a block of Styrofoam, or seemingly cubistic receptacles, whose origin – be it physical models or computer generated forms in an artificial space - remain uncertain to the viewer. Contrary to the standards of classical still life painting, wherein displayed objects, dishes, cutlery, fruits, and flowers etc. hint at social status as well as cultural and religious customs, Dobbert’s objects seem to possess solely their own identity. His artistic interest focuses on the relation between object and space, as they are placed within the context of mathematically appearing compositions. As the relation between these objects is further explored, the meaningful contact between group items and space are revealed. The structural and perceptual hierarchy of every single image layer is transduced from space to plane by means of shadow, reflection, multi-layering, specific shot angles, or simply by a barely noticeable difference between a cat fur and a sheep fur. Every grouping is an experimental optical arrangement, playing with the viewer’s sensual perception. The slightest displacement of a single element would cause a severe change to the entire system. Innumerous “sketches” have preceded the pictures; accordingly placeholders in original size have constantly been moving along the exhibition walls in Wiesbaden for half a day until a final arrangement was set. Felix Dobbert´s artful and almost tricky intention to undermine the viewer’s common perception is an utterly effective experiment revealing objects’ identity, which are often surprisingly different from the expected.
Josefine Raab / Translation: Joanne Strasser
Published in Catalog GUTE AUSSICHTEN 2004/2005
JavaScript is turned off.
Please enable JavaScript to view this site properly.